Liebe Schwestern und Brüder,
der Tagesheilige und die Lesungstexte dieses Tages hätten nicht besser gewählt werden können, als sie uns heute zur öffentlichen Amtseinführung des neuen Generalvikars Thomas Keßler vorgegeben sind.
Der heutige Tagesheilige Bruder Konrad ist wahrhaft ein Meilenstein auf dem Weg christlicher Nachfolge. Auf dem stattlichen bäuerlichen Hof in Parzham bei Griesbach im Rottal als Johann Evangelist Birndorfer im Jahre 1818 geboren, hat er zunächst als seine Lebensaufgabe die Landwirtschaft gesehen. Sein Vater starb sehr früh, und so musste er das große väterliche Anwesen bewirtschaften und damit die Familie ernähren. Obwohl er sehr mit der elterlichen Scholle verbunden war, sehnte sich sein Herz nach dem Himmel. Sonntags zog es ihn zu den Wallfahrtsorten seiner Heimat wo er viel Zeit in der Kirche verbrachte.
Mit einunddreißig Jahren konnte er endlich seiner eigentlichen Sehnsucht Raum geben und bei den Kapuzinern in Laufach an der Salzach eintreten. Nach seiner Profess im Jahre 1852 wurde er als Pförtner im Kapuzinerkloster Sankt Anna in Altötting eingesetzt. Diese - wahrhaft nicht immer leichte - Aufgabe nahm er 41 Jahre in großer Treue wahr.
Er betreute die Pilger, die Einheimischen, Armen und Ratsuchenden ebenso wie die Bettler und Lieferanten mit gleichbleibender Güte und Ruhe. Sobald es sein Pfortendienst möglich machte, suchte er wenige Schritte von der Pforte entfernt, an einem kleinen Fenster, das Zwiegespräch mit dem Herrn im Tabernakel. Er machte nicht viele Worte, brachte aber seine Anliegen im stillen Gebet vor Gott. Einer seiner Aussprüche war: „Das Kreuz ist mein Buch.“
Natürlich will und kann ich den neuen Generalvikar nicht einfach mit Bruder Konrad vergleichen. Aber er ist auch ein Mann, der die Scholle liebt. Seine Liebe zu den Pferden, seine legendären Kutschfahrten durch das wunderschöne Frankenland, seine fränkische Verwurzelung sind augefällig. Und doch ist sein Herz tief verankert in Gott, dem er sich ebenfalls vorbehaltlos verbunden und verpflichtet weiß.
Sicherlich ist es ihm nicht leicht gefallen, seine bisherige Wirkungsstätte Bad Kissingen aufzugeben. Er hat dort nicht nur als Dekan, sondern auch als Pfarrer und Pfarradministrator verschiedener Gemeinden gewirkt. Außerdem war er als Notfallseelsorger tätig und darüber hinaus als Mitglied des Diözesanpastoralrates und des Priesterrates, als Begleiter und Unterstützer des Dialogprozesses und des Fachbeirates der ‚Koordinierungs- und Fachstelle zur Prävention sexualisierter Gewalt“ tätig. Dennoch hat er sich nicht verweigert, als ich ihn fragte, ob er die Aufgabe des Generalvikars in Würzburg übernehmen wolle.
Prälat Karl Hillenbrand hat große Fußspuren hinterlassen. Er selbst hat die Aufgabe des Generalvikars und das Selbstverständnis dieses Dienstes wie folgt umschrieben:„ Der Dienst eines Generalvikars steht nicht nur im Schnittpunkt vielfältiger innerkirchlicher Lebenslinien, sondern genauso im Spannungsfeld zwischen der Glaubensverkündigung und den unterschiedlichen gesellschaftlichen Problemen. Manchmal entwickeln sich aus solchen Herausforderungen regelrechte Zerreißproben ...“ Und wenig später heißt es da: „Die jeweiligen Gedanken ergaben sich aus der Einsicht, dass Christsein sich immer wieder ‚einmischen’ muss, um die Konsequenzen deutlich zu machen, die sich aus der Menschwerdung Gottes und seinem Kommen in unsere Welt ergeben.“
Wichtig war ihm dabei aber auch immer, dass der Einzelne nicht nur seine besonderen Charismen pflegen dürfe, sondern dass er von seiner Ganzhingabe aus auch seine Armseligkeit, seine Schattenseiten und Grenzerfahrungen verschenken müsse. „Berufung zum Priester lebt nicht in erster Linie vom eigenen Können“, schreibt Dr. Karl Hillenbrand wenige Zeilen weiter, „sondern vom Vertrauensvorschuss Jesu, den wir weitergeben dürfen.“
Sie, lieber Generalvikar Keßler, dürfen sich die heutige Lesung voll und ganz zu eigen machen. Dort heißt es im 1. Petrusbrief: „Dient einander als gute Verwalter der vielfältigen Gnade Gottes, jeder mit der Gabe, die er empfangen hat...So wird in allem Gott verherrlicht durch Jesus Christus. Sein ist die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen.“
So wie Bruder Konrad als Pförtner tätig war, werden auch Sie, lieber Mitbruder Keßler, als Pförtner in den Angelegenheiten der Kirche tätig sein. So wie Bruder Konrad sich immer wieder zur Anbetung und dem stillen Gebet zurückzog, werden auch Sie nur die vielfältigen Aufgaben meistern können, wenn Sie sich dieses Verweilen im Gebet bei aller Arbeitsbelastung zugestehen und einräumen.
Wir alle, liebe Schwestern und Brüder, sind Menschen, die auf die Rückkehr ihres Herrn warten. Wir leben ja – wie Reinhold Schneider sagte – zwischen dem Ende des Reiches und dem letzten Ruck des Zeigers.“ Unsere irdische Lebenszeit ist eine Art Wüstenwanderung in das verheißene Land. Deshalb gilt auch uns die Forderung Jesu, die wir eben im Evangelium hörten, ganz allgemein und doch konkret: „Haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht vermutet.“ (Lk 12,40)
Alles, was wir tun, sollte in dieser Sinnspitze verankert sein und unseren Glauben an die Vollendung im Himmel zum leuchten bringen. Wir alle sind die pastoralen Mitarbeiter Gottes - ob im Ordinariat, im Pfarrbüro, in unseren Hilfsorganisationen, Kindergärten, Schulen, Beratungsstellen oder in unseren Gemeinschaften und Verbänden.
Möge unser Zusammenhalt im Glauben und die sichtbar werdende gelebte Gemeinschaft auch eine effektive Arbeit zum Wohl und Heil unserer Mitmenschen mit sich bringen. Amen